Bericht: eine Stadtführung in italienischer Sprache,

bei der alles „Worschd“ ist... oder auf den Spuren einer kleinen Wurst mit großer Geschichte

Wenn ich, geborene Nürnbergerin, nach einem längeren Aufenthalt in Italien wieder einmal in mein fränkisches Zuhause zurück komme, führen mich meine ersten Schritte meist in meine geliebte Altstadt und in ein Bratwurstlokal.

Bei „acht oder zehn mit Kraut oder mit Kartoffelsalat oder mit Meerrettich (Kren/Rafano)“, einer Brez’n und einem Bier vom Fass fühle ich mich dann so recht heimatlich. Aber wie fühlen sich wohl Italiener, wenn sie diese weltberühmte Spezialität, die „salsicce di Norimberga“ hier in der alten Noris verzehren? Kennen sie ihre Geschichte? Schmeckt sie ihnen? Neugierig geworden durch die Ankündigung einer Stadtführung der Nürnberger Dante Alighieri Gesellschaft in italienischer Sprache zum Thema „Brat-Worscht“ habe ich mich zum Spaziergang angemeldet.

Begonnen haben wir den Rundgang – eine Gruppe von etwa 16 Personen, halb Italiener/Italienerinnen, halb deutsche Italienfreunde/-freundinnen - am Sitz der Dante mit dem Ausfüllen eines Fragebogens zur Geschichte dieses kleinen Würstchens. Unsere, Vielen bekannte Führerin und Wahl-Nürnbergerin Enrica Valsecchi hatte sich bei der Ausarbeitung des Bogens größte Mühe gegeben, uns unsere Wissenslücken aufzuzeigen, die dann aber doch während des Rundgangs gefüllt werden konnten.

Grundsätzliches zu dieser kleinen Köstlichkeit:

Erstmals dokumentiert findet man sie am Ende des 17. Jahrhunderts. Der Name kommt wohl von dem in einen Schafsdarm zu füllenden Inhalt, dem „Brät“ oder althochdeutsch „brato“ (Schweinefleisch bester Qualität ohne Knorpel und Knochen), das mit verschiedenen Gewürzen, vor allem Majoran, verfeinert wurde. Sie hat die Länge eines Fingers und wiegt circa 25 Gramm. Hergestellt werden darf die Nürnberger Bratwurst nur in Nürnberg.

Man bestellt und isst sie, gegrillt auf Buchenholz, serviert auf einem Zinnteller oder Zinnherz, in einer Menge von mindestens 6 Stück, je nach Hunger, in Zweierschritten endlos aufsteigend. Einige Legenden, die sich um ihre spezielle Größe ranken, wie zum Beispiel, dass sie durch ein Schlüsselloch passen musste, wurden schnell ausgeräumt. Der Grund war wohl ein wirtschaftlicher. Die vorgeschriebenen Zutaten waren wegen des hohen Konsums immer schwerer zu beschaffen, das heißt sie wurden teuerer, und deshalb mussten die Würste immer kleiner werden.

Zu jenen Zeiten zählte sie aber wohl zu den Grundnahrungsmitteln, speziell auch für Gefängnisinsassen. Das erfuhren wir am Schuldturm auf der Insel Schütt. Hier war ein in Ungnade gefallener Nürnberger Patrizier (Hans der IV. Stromer von Reichenbach) für 38 Jahre eingesperrt, erhielt jedoch, dank seiner noblen Herkunft das Privileg, jeden Tag zwei Bratwürste essen zu dürfen. Will heißen, er hat im Laufe seiner langen Gefangenschaft ungefähr 28.000 dieser Würstchen verzehrt. Man nannte ihn deshalb auch den „Bratwurst-Stromer“. Auch für die zum Tode verurteilten Insassen im Lochgefängnis am alten Rathaus fehlten sie niemals in der drei Tage dauernden Henkersmalzeit.

Vorbei an einigen der vielen „ristorantini-salsicce“, wie zum Beispiel „Röslein“, „Häusle“, ging’s zur Fleischbrücke. Hier konnten wir uns vorstellen, wie einstmals die Metzger, Fleischbeschauer und Händler arbeiteten und mithilfe der vorbei fließenden Pegnitz ihre Abfälle auf einfachstem Wege entsorgen konnten. Auch ein Hinweis auf die Städtefreundschaft zwischen Nürnberg und Venedig fehlte nicht. Unsere Fleischbrücke ist eine, an Nürnberger Verhältnisse angepasste Kopie der Rialtobrücke in Venedig.

Weiter ging’s zum Trödelmarkt, ehemals Schweinemarkt genannt. Anhand gezeigter Dokumentation konnten wir uns bildlich vorstellen, wie hier zusammen getriebene Schweine und andere Haustiere auf ihren Metzger warteten, um zu Würsten verarbeitet zu werden. Über die Karlsbrücke erreichten wir den Weinmarkt. Hier auch wieder ein Hinweis auf Venedig, An einer Hauswand ist der venezianische Löwe in Sandstein verewigt zu entdecken. Wahrscheinlich hatten sich schon damals italienische Kaufleute in Nürnberg niedergelassen.

An der Nordseite der Sebalduskirche endete unsere Führung. Einstmals befand sich hier, angelehnt an die 1944 zerstörte Moritz-Kapelle die wohl älteste und bekannteste Bratwurst-Wirtschaft, das „Glöcklein“. Selbst in Schriften von Goethe oder Jean Paul wird es erwähnt. Es wurde auch ein Hinweis zur Rezeptur der Bratwurst gefunden: „Man vermeide, zuviel Nägelein (Gewürznelken) zu verwenden, da sie die Fleischeslust der Männer weckten und verwende möglichst mehr Majoran, denn der beruhige und fördere die Gesundheit“! Nach all’ dieser sehr interessanten Theorie ging’s dann in eines der bekannten Bratwurst-Lokale, um die Würstchen mit Beilage zu testen und zu genießen. Ich glaube, allen Teilnehmern hat’s geschmeckt, und auch Neues zur Bratwurstgeschichte haben wir gelernt.

Grazie mille e complimenti für unsere kompetente Führerin Enrica Valsecchi!

Christa Vogel 16. November 2015